Es geht weiter, aus Vorsicht lege ich nach dem Frühstück doch den Regenkombi an, der hält auch den Wind etwas ab und ich muss nicht das dicke Inlet einziehen. Bis jetzt bin ich noch weit von den erhofften Temperaturen entfernt.
Es geht nach Estaing am Lot. Das ist jetzt der dritte Anlauf und ich hoffe wirklich, dass es heute klappt. Vor zwei Jahren bei meinem Mopedurlaub in Cahors habe ich zweimal versucht Estaing zu erreichen, beide Male ohne Erfolg. Auch damals hat mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Nicht so heute, die Strecke hatte ich zuvor in Basecamp geplant, allerdings wegen des Regens wieder umgeworfen und mich führen lassen, die kleinen und kleinsten Strassen wollte ich dann doch nicht. Die Strecke führt über Malbouzon und so etwas wie auf dem Weg habe ich bisher noch nicht gesehen: Wiesen die übersät sind mit Narzissen.
Weiter geht es nun über den Col d’Aubrac, es ist merklich frisch und schliesslich halte ich in Aubrac, dort gib es im L’Annexe d’Aubrac eine prima Suppe. Die wärmt super bei dem Mistwetter draussen. Fehlt noch, dass es schneit. Kaminfeuer ist an und ich könnte mich von der Gemütlichkeit einlullen lassen. So fühlen sich wohl auch zahlreichen die durchnässten Wanderer.
Wie geplant geht es aber wieder raus und vorbei an Mende weiter Richtung Lot und Estaing. Das klappt dann doch wie gedacht, ich bin im Zeitrahmen und überrascht, wie souverän mich das Navi dann wieder führt. Ich fahre ja auch wieder auf der von mir geplanten Route…
Ab und an eine unerwartete Abkürzung, aber alles sehr entspannt, kann sein, dass wir doch noch Freunde werden.
Auf der ganzen Reise befinde ich mich in der Nähe zu verschiedenen Jakobswegen, Estaing liegt auf dem Weg von Le-Puy-en-Velais nach Cahors. So ist es natürlich nicht verwunderlich allenthalben Referenzen zu finden. Auch die Pelerinenträger sind überall. Immer noch gut gelaunt auf dem Weg. Auf dem Moped habe ich noch einen ordentlichen Weg vor mir, aber zu Fuss?
Der Blick von der Brücke Richtung Château d’Estaing ist wirklich grossartig und ich kann verstehen, warum der Ort zu einem der schönsten Frankreichs erklärt wurde. Guilaume d’Estaing war mit Richard Löwenherz auf dem dritten Kreuzzug und so habe ich wieder eine Querverbindung zu meinem letzten Urlaub in der Bretagne: da besuchte ich die Reste von Château Gaillard in Les Andelys, gebaut im Auftrag von Richard Löwenherz .
Die Familie Estaing starb im 18. Jahrhundert aus und der Vater vom früheren französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing hat den Titel 1922 erworben. Sonst wäre das “nur” der Valéry Giscard gewesen…
Das Chateau hat er mit seinem Bruder zusammen gekauft und es wird zu einem Konferrenzzentrum ausgebaut. Ansehen wollte ich es mir jetzt nicht, die Kirche Saint-Fleuret war ich mir aber anschauen.
Man merkt dem pittoresken Ort an, dass er sehr gut von Touristen besucht ist. Der kleine Ort mit knapp 500 Einwohnern hat reichlich Gaststätten, Kneipen, Restaurants und Unterkünfte. Ich habe mir mal die Gîte d’étape communal in einer alten Kapelle angeschaut, sehr schön gemacht und sauber, ein tolles Angebot.
Da war ich allerdings schon in einer Herberge eingecheckt. Das Motorrad durfte ich in der zum Haus gehörigen Garage unterstellen und dort habe ich gleich auch das Abendessen gebucht. Sonst wäre ich sicher im Chez Mon Pere hängen geblieben: die Dame des Hauses hat eine erstklassige Auswahl an französischen Chansons laufen lassen und dabei eifrig, freudig und gut mitgesungen. Da hat es richtig Spass gemacht nach dem obligatorischen Cafe noir noch einen kleinen Rouge zu geniessen. Das aufgetragene Essen sah sehr gut aus und die Gäste machten alle einen zufriedenen Eindruck. So soll das sein.
Mir ging es mit dem Abendessen auch nicht schlecht, nur die alternden englischen Wandergruppen wollten mit dem Motorradfahrer nicht so richtig warm werden. Also früh in die Falle. Regenwahrscheinlichkeit für morgen unter 50%. Man kann sich über alles freuen.